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Keine Strafen bei Wirtschaftskriminalität

NEW YORK – Obwohl viel über die angemessene Rolle des Staates in der Gesellschaft diskutiert wird, würde kaum jemand bestreiten, dass die Strafverfolgung zu den Aufgaben des Staates gehört. Doch schaut der Staat zunehmend weg, was die Durchsetzung der Gesetze gegen die weltweit lukrativsten Verbrechen angeht: Betrug, Veruntreuung, Steuerhinterziehung, Bestechung und Geldwäsche durch die gut Betuchten.

Teilweise lässt sich dieses Versäumnis auf einen Mangel an Ressourcen zurückführen. Die Strafverfolgungsbehörden sind den ausgeklügelten Techniken der Wirtschaftskriminellen, die mit Unterstützung hochbezahlter Anwälte und Wirtschaftsprüfer durchgeführt werden, häufig nicht gewachsen. Ein  größeres Problem freilich ist, dass sich die Bemühungen der Strafverfolger zunehmend nicht gegen Kriminelle richten, sondern gegen Journalisten, die versuchen, deren Verbrechen aufzudecken.

Man denke etwa an den deutschen Zahlungsbearbeiter und Finanzdienstleister Wirecard. Das Unternehmen – bis vor kurzem ein Liebling der Investoren – erwies sich als einer der größten Betrugsfälle der deutschen Nachkriegsgeschichte. In einem klassischen Pyramidenschwindel behauptete es, Geld, das nie existierte, im Ausland geparkt zu haben. Wie bei den Enron- und Bernie-Madoff-Skandalen steckten die Wirtschaftsprüfer, Anwälte und Regulierer, die doch eigentlich die Integrität des Finanzsystems schützen sollen, mit drin. Sie versäumten es nicht nur völlig, ihre Arbeit zu tun, sondern richteten ihre Waffen zudem noch auf die Journalisten, die versuchten, den Betrug aufzudecken.

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