pierre moscovici EMMANUEL DUNAND/AFP/Getty Images

Die problematische Steueridee der EU-Kommission

FRANKFURT – Im Rahmen des seit 2009 in Kraft befindlichen Vertrags von Lissabon entwickelte sich die Europäische Union zu einem agileren und effektiveren Akteur, weil über die Politik der EU in einem breiten Spektrum von Themenbereichen statt wie vorher einstimmig nun mit qualifizierter Mehrheit entschieden wurde.

Doch wie jüngste Bemühungen zur Zuteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU zeigen, sind die überstimmten Mitgliedstaaten in einigen Fällen – insbesondere bei grundlegenden Fragen nationaler Souveränität – nicht bereit oder willens, kollektive Entscheidungen umzusetzen. Trotzdem greift die Europäische Kommission derzeit in einen weiteren Bereich ein, bei dem es um grundlegende Probleme der Souveränität geht.

Seit vielen Jahren verweigern einige EU-Mitgliedstaaten ihre umfassende Mitwirkung im Kampf gegen Steuerhinterziehung und -vermeidung. Und weil in der EU-Steuerpolitik nach wie vor Einstimmigkeit erforderlich ist, hat jedes Land ein Veto. Es scheint daher nur natürlich, dass die EU auch hier gern eine qualifizierte Mehrheitsentscheidung einführen würde. Ein neuer Vorschlag von Pierre Moscovici, dem EU-Kommissar für Wirtschafts- und Finanzangelegenheiten, Steuern und Zölle, sieht vor, dass neue steuerpolitische Regeln künftig mit Zustimmung von 55% der Mitgliedstaaten, die mindestens 65% der EU-Bevölkerung repräsentieren, verabschiedet werden sollen.

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