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Die Krise der Zentralbank-Governance

LONDON – Hinsichtlich des Verhältnisses zwischen Währungsbehörden und Regierungen bestehen bedeutende Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten und der Eurozone. In den USA verfolgt man ausnahmslos ein traditionelles Muster, im Rahmen dessen Regierungspolitiker, mit Blick auf den Wahlzyklus, tendenziell für eine expansive Fiskalpolitik und gelockerte geldpolitische Bedingungen eintreten, während die auf die Durchsetzung ihrer Unabhängigkeit bedachte Notenbank Federal Reserve auf der Hut vor politischer Einflussnahme ist.  Würde man die Autonomie der Fed infrage stellen, wäre die nationale und - damit auch – die makroökonomische Stabilität gefährdet.

In der Eurozone stellt sich das Muster genau umgekehrt dar. Insgesamt zögern die fiskalpolitischen Entscheidungsträger, sogar angesichts einer Konjunkturabschwächung (wie sie derzeit im Gange ist), Konjunkturanreize zu setzen. Letzten Endes ist es die Europäische Zentralbank, die versucht, andere zu aktivem Handeln zu drängen. Für diese Umkehrung der Rollen zwischen Regierungen und geldpolitischen Entscheidungsträgern bestehen keine historischen Vorbilder. Vielmehr ergab sich diese Konstellation als unerwartete Folge der Gestaltung der Eurozone und sie droht nun, die Stabilität des Blocks nachhaltig zu gefährden.

Allgemeiner betrachtet sind sowohl in den USA als auch in der Eurozone Symptome einer Krise der wirtschaftspolitischen Governance zu beobachten, die seit mehr als 30 Jahren ihren Lauf nimmt. In den USA wird die Unabhängigkeit der Fed vom Kongress gewährt, der sie ihr grundsätzlich auch entziehen könnte, während die Unabhängigkeit der EZB durch den Vertrag von Maastricht geschützt ist. Das ist für die Europäer allerdings nur ein schwacher Trost, wenn man bedenkt, dass die Spannungen zwischen den europäischen Währungsbehörden und den Regierungen der Mitgliedsstaaten den Konsens zugunsten der Einheitswährung letztlich untergraben könnten.  

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