acemoglu12_FABRICE COFFRINIAFP via Getty Images_climateprotestgirlstudent Fabrice Coffrini/AFP/Getty Images

Haben die Klimakids Recht?

CAMBRIDGE – Der Anstieg der Treibhausgasemissionen in der Atmosphäre hat im letzten Jahrhundert eine Zunahme der weltweiten Bodentemperaturen um fast 1 °C verursacht. Innerhalb der wissenschaftlichen Gemeinschaft besteht kein Zweifel daran, dass diese Veränderungen eine direkte Folge menschlichen Handelns sind. Doch dass wir in der Lage sein werden, diese Emissionen ausreichend zu reduzieren, um die globale Erwärmung zunächst zu stoppen und dann umzukehren, scheint zunehmend unwahrscheinlich.

Die zu erwartenden Kosten dieses Versagens – ein Anstieg des Meeresspiegels, massive Bevölkerungsverschiebungen, häufigere Extremwetterereignisse und die Verbreitung neuer Infektionskrankheiten – werden katastrophal sein, und zwar selbst, wenn man die wahrhaft apokalyptischen, vom verstorbenen Martin Weitzman von der Universität Harvard ermittelten „Extremrisiken“ außer Acht lässt. Und einen Großteil der Kosten werden die heutigen Jugendlichen tragen müssen.

Könnten angesichts dieser Faktenlage die „Schulstreiks fürs Klima“, eine internationale Bewegung von Schülern und jugendlichen Aktivisten, die Lösung sein? Ja und nein. Die Welt – insbesondere die USA – braucht einen Weckruf. Unser durch unaufrichtige Narrative über Geoengineering oder andere technologische Wunderlösungen ermutigtes trügerisches Gefühl von Sicherheit muss erschüttert werden. Robuste Reaktionen auf massive kollektive Herausforderungen haben schon immer ein nachhaltiges Engagement der Bürger und der Zivilgesellschaft erfordert.

Doch setzt ein gesellschaftlicher Wandel zugleich neue Gesetze, Normen und Anreize voraus. Ohne eine sinnvolle Gesetzgebung werden Unternehmen und Bürger ihr Verhalten nicht ändern. Und ohne die Herausbildung neuer Normen werden die Unternehmen immer Wege finden, um neue Gesetze zu umgehen. Gesetzgebung und Normen müssen daher Hand in Hand gehen, um neue, langanhaltende Anreize zu schaffen.

Die von den heutigen jungen Klimaaktivisten geäußerte Wut könnte eine Veränderung im Bereich der globalen Normen vorantreiben. Doch um der Macht der Fossilbrennstoffindustrie etwas entgegensetzen zu können, muss die aktuelle Welle des Aktivismus in eine organisierte politische Bewegung überführt werden. Dies könnte durch Verschmelzung mit den bestehenden grünen Parteien oder durch deren Übernahme geschehen. Die Herausforderung für die Aktivisten besteht darin, die Klimasorgen über alle anderen Probleme zu erheben, sodass die Menschen Maßnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen unabhängig von ihren sonstigen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Prioritäten unterstützen. Nur so kann sich der politische Schwerpunkt des Problems verlagern.

Derzeit besteht die größte Schwäche der aktuellen Jugendbewegung darin, dass es ihr an einer schlüssigen Agenda zur Dekarbonisierung der Wirtschaftsproduktion fehlt. Tatsächlich betrachten viele junge Aktivisten Märkte und Wirtschaftswachstum als Teil des Problems. Schließlich hat sich die Fossilbrennstoffindustrie bei ihren Bemühungen, eine Besteuerung und Regulierung von Kohlenstoff abzuwenden, lange auf die Prinzipien des freien Marktes berufen.

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Doch könnte der Markt eine machtvolle Waffe zur Bekämpfung des Klimawandels sein. Tatsächlich besteht kein Grund zu der Annahme, dass das Wirtschaftswachstum dem Klimaschutz zum Opfer fallen muss. Eine angemessen hohe Kohlenstoffsteuer würde einen vorhersehbaren Preis für den Schaden festsetzen, den kohlenstoffintensive Wirtschaftsaktivitäten der Menschheit zufügen, und dadurch Unternehmen und Haushalte ermutigen, eine Abkehr von Kohlenstoff freisetzenden Aktivitäten einzuleiten. Und indem sie signalisiert, dass Kohlenstoff eine wichtige Umweltbedrohung ist, würde eine derartige Steuer zugleich die Funktion erfüllen, zu einem normativen Wandel zu ermutigen.

Um allerdings effektiv zu sein, muss diese Kohlenstoffsteuer deutlich höher ausfallen als der derzeitige Satz in vielen Ländern, der stillschweigend von einem Preis von 30-50 Dollar pro Tonne CO2 ausgeht. Und selbst darauf werden sich Politiker und Klimaaktivisten nicht beschränken können. Während eine Steuer die Unternehmen ermutigen wird, sich um sauberere Energiequellen zu bemühen, ist sie kein ausreichend starker Auslöser für die Entwicklung alternativer, kohlenstoffarmer Technologien. Daher sollten Kohlenstoffsteuern durch gut konzipierte „grüne Subventionen“ für Unternehmen und Forscher ergänzt werden, die Wind-, Solar- und Geothermaltechnologien entwickeln oder an neuen Methoden zur Begrenzung der von bestehenden Technologien ausgehenden Emissionen arbeiten.

Wie Kohlenstoffsteuern nutzen grüne Subventionen die Macht des Marktes. Es ist kein Zufall, dass die meisten wichtigen technologischen Durchbrüche des 20. Jahrhunderts – Antibiotika, die Computertechnologie, das Internet und die Nanotechnologie – von Regierungen ausgingen, die Märkte lenkten und schufen. Doch während staatlich finanzierte Forschung und Subventionen bei der Gestaltung von Anreizen eine zentrale Rolle spielten, wäre ohne den privaten Sektor nicht viel erreicht worden. Um zu sehen, wie staatliche Unterstützung ohne einen robusten Marktmechanismus aussieht, betrachte man die katastrophale Erfahrung der Sowjetunion während der 1970er und 1980er Jahre.

Und schließlich sollten die heutigen jungen Klimaaktivisten nicht davon ausgehen, dass die Zukunft der Menschheit auf diesem Planeten davon abhängt, das Wirtschaftswachstum zu stoppen oder stark zu begrenzen. Ein Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft wird sicherlich Opfer erfordern. (Behauptungen, ein „grüner New Deal“ würde kurzfristig sowohl die Emissionen senken als auch die Beschäftigung erhöhen, sind nicht glaubwürdig.) Doch kann das Wirtschaftswachstum letztlich von einer gut konzipierten grünen Politik profitieren. Zudem sind Klimaschutzmaßnahmen ohne Wachstum womöglich nicht aufrechtzuerhalten, da wirtschaftliche Not die Unterstützung der Bevölkerung für weitreichende Reformen verringern kann.

Trotzdem kann die Zukunft des Wachstums nicht auf der Produktion von immer mehr Fertigungswaren beruhen. Unsere Aufgabe besteht darin, bessere, kreativere und weniger ressourcenintensive Methoden zu entwickeln, um die vielfältigen Bedürfnisse von mehr als sieben Milliarden Menschen zu befriedigen. Wenn dann der Übergang zu einer saubereren Wirtschaft geschafft ist, kann sich das Wachstum fortsetzen, ohne unsere Klimabilanz zu verschlechtern.

Die Klimaaktivisten tun Recht daran, auf ein gemeinsames Verständnis der Notwendigkeit besserer Methoden zur Produktion und zum Verbrauch von Energie hinzuarbeiten. Wichtiger jedoch ist, dass sich das Wirtschaftswachstum selbst fortsetzen muss – und nicht nur, um die politische Unterstützung für eine grüne politische Agenda aufrechtzuerhalten. In einer Welt, in der mehr als eine Milliarde Menschen noch immer in äußerster Armut leben und in der weitere Milliarden nach einem höheren Lebensstandard streben, wird ein realistisches Versprechen geteilten Wachstums sehr viel überzeugender sein als Rufe nach einem Stopp des wirtschaftlichen Fortschritts.

Wir haben den jungen Aktivisten von heute enorm viel zu verdanken, weil sie die Alarmglocken geläutet haben. Nun müssen wir ihre Begeisterung in eine institutionalisierte politische Kraft verwandeln und eine Blaupause für eine wirkungsmächtige, gut konzipierte und produktive wirtschaftliche Agenda entwickeln. Die Märkte stehen uns dabei nicht im Weg; sie könnten im Gegenteil ein mächtiger Verbündeter sein.

Aus dem Englischen von Jan Doolan

https://prosyn.org/JrStU7Nde